Geltendes Recht EU

In der Europäischen Union (EU) fallen Nanomaterialien in den Geltungsbereich verschiedener Verordnungen und Richtlinien. Nachfolgend sind die Definitionen von Nanomaterialien der verschiedenen Rechtsvorschriften kurz zusammengefasst sowie die nanospezifischen Regelungen in den verschiedenen EU-Verordnungen kurz beschrieben.

EU-Recht

Rahmendefinition der Europäische Kommission (2022/C 229/01)

Die EU-Kommission hat am 10. Juni 2022 eine überarbeitete Empfehlung für eine Rahmendefinition von Nanomaterialien veröffentlicht (Zusammenfassung):

«Nanomaterial ist ein natürliches, bei Prozessen anfallendes oder hergestelltes Material, das aus festen Partikeln besteht, die entweder eigenständig oder als erkennbare konstituierende Partikel in Aggregaten oder Agglomeraten auftreten, und bei dem mindestens 50 % dieser Partikel in der Anzahlgrössenverteilung mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllen:

  • eine oder mehrere Aussenmasse der Partikel liegen im Grössenbereich von 1 nm bis 100 nm;
  • die Partikel haben eine längliche Form (wie z. B. Stab, Faser oder Röhre), wobei zwei Aussenmasse kleiner als 1 nm sind und das andere Aussenmass grösser als 100 nm ist;
  • die Partikel haben eine plättchenartige Form, wobei ein Aussenmass kleiner als 1 nm ist und die anderen Aussenmasse größer als 100 nm sind.

Bei der Bestimmung der Anzahlgrössenverteilung der Partikel müssen Partikel mit mindestens zwei orthogonalen Aussenmassen von mehr als 100 μm nicht berücksichtigt zu werden.

Ein Material mit einer auf das Volumen bezogenen spezifischen Oberfläche von weniger als 6 m2/cm3 gilt jedoch nicht als Nanomaterial.

Chemikalien: Informationsanforderungen und Stoffsicherheitsbeurteilung für Nanomaterialien unter REACH

Für Stoffe, die in einer Menge von einer Tonne oder mehr pro Jahr in einer Nanoform in der EU hergestellt oder importiert werden, gelten seit dem 1. Januar 2020 spezifische Anforderungen für die Registrierung nach der REACH-Verordnung. Früher eingereichte Registrierungsdossiers für Stoffe mit Nanoformen müssen von den registrierungspflichtigen Unternehmen aktualisiert werden. Damit soll gewährleistet werden, dass die mit dem Umgang mit Nanoformen von Stoffen verbundenen spezifischen Risiken bewertet und geeignete Risikomanagementmassnahmen entwickelt und empfohlen werden können.

IT-Programme und Berichtsformate für Nanomaterialien wurden angepasst. Die aktualisierte IUCLID*-Software (Version 6.4) ermöglicht Nanoformen oder Gruppen von Nanoformen mit den relevanten Daten zu ihren Eigenschaften und Risiken in anderen Teilen des Dossiers zu erfassen.

*IUCLID ist eine in den OECD-Mitgliedstaaten zu regulatorischen Registrierungszwecken verwendete Softwareanwendung, mit der Daten zu den inhärenten und gefährlichen Eigenschaften chemischer Stoffe erfasst, gespeichert, gepflegt und ausgetauscht werden können.

Die Europäische Chemikalienagentur ECHA hat verschiedene nanospezifische Anhänge zu den Leitlinien über die Informationsanforderungen und Stoffsicherheitsbeurteilung unter REACH publiziert.

Lebensmittel

Europäische Verordnung zur Information der Verbraucher über Lebensmittel

In der Verordnung werden technisch hergestellte Nanomaterialien wie folgt definiert:

«Technisch hergestelltes Nanomaterial»: jedes absichtlich hergestellte Material, das in einer oder mehreren Dimensionen eine Abmessung in der Grössenordnung von 100 nm oder weniger aufweist oder deren innere Struktur oder Oberfläche aus funktionellen Kompartimenten besteht, von denen viele in einer oder mehreren Dimensionen eine Abmessung in der Grössenordnung von 100 nm oder weniger haben, einschliesslich Strukturen, Agglomerate und Aggregate, die zwar grösser als 100 nm sein können, deren durch die Nanoskaligkeit bedingte Eigenschaften jedoch erhalten bleiben.

Zu den durch die Nanoskaligkeit bedingten Eigenschaften gehören:

  • diejenigen Eigenschaften, die im Zusammenhang mit der grossen spezifischen Oberfläche des betreffenden Materials stehen, und/oder
  • besondere physikalisch-chemische Eigenschaften, die sich von den Eigenschaften desselben Materials in nicht nanoskaliger Form unterscheiden.

Leitfaden für die Beurteilung möglicher Risiken der Nanotechnologie

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat einen Leitfaden zur Beurteilung möglichen Risiken der Nanotechnologie im Bereich von Lebens- und Futtermitteln veröffentlicht.

Guidance on risk assessment of nanomaterials to be applied in the food and feed chain: human and animal health | Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (europa.eu).

Kosmetische Mittel

Europäische Kosmetikverordnung

In der EU-Verordnung über kosmetische Mittel befindet sich folgende Definition von Nanomaterialien:

«Nanomaterial»: ein unlösliches oder biologisch beständiges und absichtlich hergestelltes Material mit einer oder mehreren äusseren Abmessungen oder einer inneren Struktur in einer Grössenordnung von 1 bis 100 Nanometern.

Wegleitung zur Beurteilung der Risiken von Nanomaterialien

Der wissenschaftliche Ausschuss «Verbrauchersicherheit» (SCCS) hat 2019 eine Wegleitung zur Beurteilung der Risiken von Nanomaterialien in Kosmetika veröffentlicht. Die Wegleitung bildet die methodische Basis für den Sicherheitsbericht, der im Rahmen der Registrierung gemäss der Europäischen Kosmetik-Verordnung (EG Nr. 1223/2009) eingereicht werden muss. Das Dokument finden Sie auf dieser Seite im Register «Dokumente».

Medizinalprodukte: Wegleitung zur Beurteilung der Risiken von Nanomaterialien

Das «Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks SCENIHR» hat 2015 eine Wegleitung zur Beurteilung der Risiken von Nanomaterialien in Medizinalprodukten publiziert. Sie zeigt auf, was bei Nanomaterialien speziell beachtet werden muss. Die Wegleitung kann auch für Partikel grösser als 100 nm angewendet werden.

Arbeitnehmerschutz

In der EU gibt es bis jetzt keine spezifischen Regelungen für Nanomaterialien. Im Bereich des Arbeitnehmerschutzes ist auch in diesem Bereich grundsätzlich die Arbeitgeberin verantwortlich für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerin (europäisch: Rahmenrichtlinie Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 89/391/EWG, Sicherheit und Gesundheit bei chemischen Arbeitsstoffen 98/24/EG). Im Rahmen der betrieblichen Risikobeurteilung müssen die besonderen «Nanoeigenschaften» berücksichtigt werden. Sind diese nicht ausreichend bekannt, müssen geeignete Massnahmen zur Kontrolle des Risikos nach dem Vorsorgeprinzip hergeleitet werden.

Weitere Informationen zum Thema Nanomaterialien und Arbeitnehmerschutz finden sich auf der Webseite der Deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und der Webseite der französischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Arbeitsschutz (ANSES).

 

Letzte Änderung 12.04.2024

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